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  • AutorenbildAndreas Dalberg

Dasein ist Mysterium

Dasein ist mysteriös. Genau dies ist die Grundbestimmung des Menschseins: Der Mensch ist da, als Selbst in eine Welt, in ein Dasein geworfen, dessen Grund ihm verborgen ist – eben dies ist mysteriös.

Der Mensch findet sich in dieser Welt vor, ohne um sein Woher oder Wohin zu wissen. Er weiß nicht, ob es ihn vor seinem Zu-sich-Kommen in irgendeiner Weise gegeben hat; weiß nicht, ob er nach seinem physischen Tod in irgendeiner Weise fortbestehen wird; weiß nicht, weshalb es das Universum gibt, das Seiende; all dies ist ihm verborgen, ist existenzielles Geheimnis, das er nicht zu lüften vermag. Eben deshalb, weil er um all dies nicht weiß, ist er auch ahnungslos, was das Leben seinem tiefsten Grunde nach bedeutet. Dasein ist Mysterium.

Diese Grundbestimmung des Menschseins – in ein mysteriöses Dasein geworfen zu sein – wird im Alltag ausgeblendet. Dass der Mensch Teil eines gewaltigen Mysteriums ist, spielt im modernen Leben üblicherweise keine Rolle. Ein Umstand, der allein deswegen erstaunlich ist, weil damit ja das Ur-Wesentliche am Menschsein verdrängt wird.

Obendrein aber liegt in diesem Ausblenden eine Konsequenz von fundamentaler Bedeutung: Der Mensch verliert dadurch den grundlegenden Bezug zu sich, hat seine existenzielle Verwurzelung aufgegeben, die es ihm erlaubt, die transzendente Dimension seines Lebens bewusst zu entfalten, in eine bewusste Beziehung zum Transzendenten zu treten, ohne die sein Dasein oberflächlich bleibt, bodenlos.

Ja, nur in diesem Bewusstsein, dass Dasein Mysterium ist, Teil eines überwältigenden, ontologischen Geheimnisses, befindet sich der Mensch in der Grundwahrheit seiner Existenz. Diese Wahrheit gilt es auszuhalten, mit ihr umzugehen, auf ihrer Basis das eigene Leben zu entwerfen. Kehrt sich der Mensch indes von diesem Bewusstsein ab, verfehlt er sich, mit wachsender Gefahr innerer Leere und Verzweiflung.

Dass es den Menschen gibt, ist also mysteriös, zutiefst geheimnisvoll. Verborgen ist dem Menschen der Grund, aus dem er hervorgeht, in den er wieder eingeht. Sein Seinsgrund liegt im metaphysischen Dunkel. Er kann ihn nicht erhellen, mag er noch so viel Wissenschaft betreiben. Er kann aber ebenso wenig seine Verwurzelung im Seinsgrund vollends kappen, mag er sich noch so sehr davon abwenden, sich der Weltverfallenheit überlassen und im technischen Alltag aufgehen, der beinahe jeden Winkel seines Innersten in Beschlag nimmt und ihn derart betäubt, dass er die innere Leerstelle, die eigene Bodenlosigkeit nicht wahrnehmen muss.

Eine unbewusste Seinsstrategie, die scheitert. Dies wird klar, wenn man ein ums andere Mal am toten Punkt der eigenen Existenz strandet, sinnentleert und ohnmächtig, so dass jene Verzweiflung ins Bewusstsein bricht, die die eigene Existenz immer schon grundiert. Jene Verzweiflung, die man seit jeher flieht, indem man sich der Illusion hingibt, das eigene Sein wäre erfüllt, würde es nur gelingen, jene äußeren Umstände herbeizuführen, von denen man sich Ankommen, Heilsein verspricht. Ein Trugschluss – denn Einverstandensein mit dem eigenen Dasein beginnt im Inneren.

Zu diesem Weg notwendigen Scheiterns gibt es eine Alternative, die zwar vor der Verzweiflung nicht bewahrt, sie aber erträglicher macht, weil man sich in sich selbst gründet – und zugleich in jenem, das einen übersteigt, im Transzendenten, ohne dass man dieses benennen oder erkennen könnte. Eine Alternative, die also zwei Aufgaben mit sich bringt: sich einerseits der Wahrheit des (Da)Seins zu stellen und auf der Grundlage eines unverstellten Blicks die eigene Existenz zu ergreifen (sich in sich selbst zu gründen). Andererseits eine Beziehung zum Transzendenten aufzubauen, die auch dann trägt und sinnstiftend ist, wenn das eigene Streben im Äußeren scheitert (sein Selbst im Transzendenten zu gründen). Diese Transzendenzbeziehung fußt auf dem Bewusstsein, dass Dasein Mysterium ist.

Andreas Dalberg

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