Andreas Dalberg
Schreiben. Meditieren. Philosophieren.
Dasein
Es gibt eine Frage, die wir im Alltag üblicherweise ausklammern: die Frage nach unserem Dasein. Damit scheint ein zu schweres Thema berührt, eines, das als überfordernd, beängstigend, befremdlich empfunden wird. Wer sich mit Existenzfragen beschäftigt, stößt tatsächlich rasch an Grenzen – jene des Intellekts, der seelischen Belastungsfähigkeit. Denn man kommt nicht umhin, sich mit dem eigenen Gewordensein, den eigenen Fehlstellungen und Verletzungen auseinanderzusetzen. Mehr noch: Man kann das Bewusstsein eigener Sterblichkeit nicht mehr unterdrücken, was zwingend in die metaphysische Gedankenwelt führt und dazu drängt, sich selbst infragezustellen, insbesondere das, was man zu wissen meint, das, was man zu glauben nötig hat. Dies alles ist nicht nur zehrend, es führt auch an einen Punkt, an dem es unheimlich wird. Gründe genug, existenziellen Themen aus dem Weg zu gehen, die Rätselhaftigkeit des Daseins zu verdrängen, sich diesen Seinsdimensionen zu verschließen. Genau dies jedoch, das Verschlossensein, ist der Grund, weshalb existenzielle Fragestellungen befremdlich erscheinen. Genau dieses Befremdetsein von Existenzfragen jedoch ist umso befremdlicher, als einem ja nichts näher sein kann als die eigene Existenz. Was das Befremdetsein vom Ureigenen letztlich offenbart, ist tiefgehende Selbstentfremdung, grundlegende Seinsvergessenheit. Indes: Werden essentielle Seinsdimensionen ausgeklammert, beschränkt dies nicht nur die Entfaltung des Seinsverständnisses (und damit eine zentrale Facette lebenslanger Menschwerdung). Es geht auch der Kontakt zum Seinsgrund verloren (womit sich das Dasein selbst zu verlieren droht). Wer all dies realisiert und sich dem Existenzfeld zuwenden möchte, muss die Kraft finden, jene Schwelle zu nehmen, die allen Widerstand gegenüber Seinsfragen erst hervorruft. Er muss bereit sein für die Angst.